Cover Sturmwelten

Mehr über »Sturmwelten«

Sie sind hier: VeröffentlichungenSturmwelten

Ein Reich inmitten der Weltmeere, besiedelt von riesigen Meeresschildkröten, feuerspeienden Drachen und schillernden Wassermagiern. Stürmische Ozeane, gepeitscht von Wind und Wellen, befahren von kaiserlichen Armeen, blutrünstigen Piraten und geheimnisvollen Zauberern.

Als wie aus dem Nichts ein legendäres Kolonialschiff mit einer magischen Ladung auftaucht, schlägt die Stunde des Freibeuters Jaquento – und es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Sturmwelten Heyne TB, 720 S. ISBN-13: 978-3453523852
Amazon.*

Ich habe schon früh angefangen, marinehistorischen Bücher und Serien zu lesen, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Einigen davon ist auch heutzutage noch eine große Leserschaft zu wünschen. Die „Sturmwelten“ sind durchaus als Hommage an diese gedacht.


Hier gibt es die offizielle Leseprobe des Heyne Verlags. (PDF 4.5MB)

Leseprobe »Sturmwelten«

Prolog


Ein einzelner Schrei, lang gezogen und so von Einsamkeit erfüllt, dass die Frau unwillkürlich erzitterte, erfüllte die laue Nacht. Für einen Moment verstummte das Konzert der Vögel, erst als der Schrei verklang, ertönte wieder ihr ewiges Lied vom Streben gegen das Vergehen.

Sie konnte nur hoffen, dass keine neugierigen Augen ihr Zaudern bemerkt hatten, und so schritt sie selbstbewusst und forsch weiter, vorbei an umgestürzten Säulen, kopflosen Statuen, deren Farben längst verblichen waren, und überwachsenen Brunnen, die schon lange kein Wasser mehr führten. Einst mochte dies ein prächtiger Garten gewesen sein, dessen Schönheit die Menschen innehalten ließ, doch dieser vergangene Glanz ließ sich nur noch erahnen. Jetzt war die Anlage wenig mehr als ein Mahnmal der Vergänglichkeit. Irgendwer hatte einige der Büsten wieder aufgestellt, dort, wo sie nicht von Pflanzen überwuchert wurden. Bleiche Imperatoren, Kaiser, deren Wort einst ganze Völker bewegt hatte, starrten mit leeren Marmoraugen auf die Besucherin.

Sie jedoch beachtete ihre Umgebung nicht, sondern folgte dem einzigen Weg, dessen Steinpflaster noch erhalten war, zum Zentrum der Anlage. Das Mausoleum, einst ein Gebäude von filigraner Schönheit, war halb eingestürzt, seine verzierten Bögen unter dem eigenen Gewicht zerborsten, als die Magie aus ihnen schwand.

Die Frau folgte nun unbeirrt dem Pfad, schritt über einige Trümmer hinweg und durch den Türsturz und trat hinter den Sarkophag, dessen einst lebensechtes Abbild der Toten nun unter zentnerschweren Blöcken begraben war.

Eine Treppe führte in die Dunkelheit hinab. Einen Moment lang sammelte die Frau sich, öffnete die Pforte in ihrer Seele, konzentrierte sich auf die machtvollen Energien um sich herum. Die Veränderung war gering; immer noch war es dunkel, doch die Schatten boten ihren Augen nun keinen Widerstand mehr. Sicheren Schrittes stieg sie hinab und erreichte bald das Portal aus schwarzem Eisen. Ihre Finger glitten über die Runen, entließen winzige Spuren Vigoris in der vorgesehenen Reihenfolge, bis die schwere Tür sich öffnete, mit einem Geräusch, das wie eine flüsternde Totenklage klang.

Der Gang hinter dem Portal stand in absolutem Gegensatz zu dem Verfall über ihr. Magische Lichter, genährt von der Energie der Vigoris, spendeten ein warmes, beinahe anheimelndes Licht. Uralte Mosaike zeigten die wechselvolle Geschichte des Imperiums, den Aufstieg der Nigromantenkaiser, die Eroberung der gesamten bekannten Welt.

Doch auch für diese Wunder hatte die Frau keinen Blick übrig. Sie schritt über kunstvoll verzierte Bodenplatten, ignorierte die schwebenden Lichter und den angenehmen Geruch nach frischem Flieder. Ihre Stiefel hallten auf dem Steinboden, als sie sicher ihren Weg fand, an Abzweigungen vorbei, über Kreuzungen hinweg, Treppe um Treppe tiefer stieg. Sie sah schon lange nicht mehr die Schönheit und Mysterien dieses Ortes, die andere ihres Atems beraubt hätten.

Schließlich öffnete sich vor ihr eine Halle, deren Wände, Boden und Decke mit Lichtern bedeckt waren, die hell wie die Sonne strahlten. Ruhig ging sie weiter, bis sich in dem Lichtermeer vor ihr eine dunkle Pforte öffnete.

Der Raum war klein und seine Wände kahl. Nach der unbegreiflichen Pracht der großen Kaverne wirkte er geradezu grotesk natürlich. Den größten Teil des Bodens nahm ein Becken ein, das mit brackigem, stinkendem Wasser gefüllt war. Inmitten des Beckens trieb eine Gestalt, deren Anblick selbst die Frau erstaunte, deren Augen schon so viel Absonderliches erblickt hatten. Ein dünner, geschlechtsloser Körper, überzogen mit einer weißen, durchscheinenden Haut, unter der man blau die Venen sehen konnte, lag halb versunken im Wasser. Langes, weißes Haar trieb träge in dem Bassin, und das Gesicht des Wesens war gerade so menschenähnlich, dass es dadurch umso grauenhafter wirkte. Die Haut der Lider war durchscheinend, sodass die dunklen Augäpfel, die ruhelos umherzuckten, darunter zu sehen waren, obwohl die Augen geschlossen waren.

Es wehte ein leichter Luftzug, der durch ein schmales Loch in der Decke hinabzog und kühl über die Haut der Frau strich. Ihr Frösteln war indes nicht dem Hauch geschuldet, sondern dem verabscheuungswürdigen und bemitleidenswerten Wesen vor ihr, das einst ein Mensch gewesen sein mochte, jetzt jedoch nur noch ein namenloses Geschöpf war.
Unvermittelt öffnete es die Augen, die durch Fels und Stein hindurchblickten und nichts in der Welt wahrnahmen, die sie umgab.

»Sie zerreißen ihren Leib! Sie reißen den Schatz heraus, sie zerstören, hacken, töten!«, schrie es und öffnete seinen zahnlosen Mund zu einem Seufzen, dessen Schmerz die Frau wie ein Mantel einhüllte. Das Wesen erbebte wie unter Krämpfen, und kleine Wellen brachen sich am Rand des Beckens im Rhythmus seiner Bewegungen.
»Sprich«, befahl die Besucherin leise, die merkte, wie sich eine Woge von Übelkeit in ihr ausbreitete.

»Wo die Sonne sich über das Rund erhebt. Schmutzige Hände stehlen ihren Schatz. Blutige Hände.«

»Mehr!«

Doch die Kreatur schwieg. Es war sinnlos, zu befehlen, und die Frau wusste das. Schon schloss das Geschöpf die Augen, und der Leib versank weiter im Wasser.

Die Frau wandte sich schließlich ab und versuchte augenblicklich, den beunruhigenden Anblick in die hintersten Winkel ihres Geistes zu verbannen. Die Worte waren rätselhaft gewesen wie stets, denn das Wesen hatte Visionen, die es selbst weder steuern noch kontrollieren konnte. Doch der alte Mann würde sie deuten können.

Die Schreie und das Seufzen hatten die Frau aufgeschreckt; für gewöhnlich flüsterte das Wesen nur. Einen Moment noch fragte sie sich, was dies zu bedeuten habe, doch dann verließ sie die Kammer und kehrte zurück in das unmögliche Licht der Kaverne. Vielleicht war dies der Moment, auf den der alte Mann so lange gewartet hatte.

Der Schatten der Besucherin blieb zurück, denn in der Kaverne konnte es keine Schatten geben, und er schien ihre Furcht bei sich behalten zu haben. In dem Bassin öffnete das Wesen erneut die Augen. Tanára. Das war mein Name. Einst. Ihr irrender Blick fiel auf den Schatten, und das Echo eines hohlen Lachens füllte die Kammer.

top

|: Impressum | Presseinformationen | Journal :|